Gasmangellage: Explodierte Preise sind das Hauptproblem

Mögliche Gaszuteilung betrifft nur rund 110 von mehr als 9500 Unternehmen im Kreis Coesfeld

Droht den Unternehmen im Kreis Coesfeld in diesem Winter tatsächlich ein Stopp oder eine Reduzierung ihrer Produktion, weil nicht genügend Gas zur Verfügung steht? Vermutlich nicht – zumindest nach derzeitigem Stand. Als Entwarnung ist das aber nicht zu verstehen. Denn die Explosion der Strom- und Gaspreise stellt die Unternehmen vor mindestens genauso große Probleme. So lautete die Einschätzung der Experten beim Info-Termin für Unternehmen zur Gasmangellage, zu dem Kreis Coesfeld und wfc Wirtschaftsförderung Kreis Coesfeld am Mittwochmorgen eingeladen hatten. Rund 100 Teilnehmende zeigen, wie ernst die Lage und wie groß die Unsicherheiten sind.

Gasverbrauch senken oder ganze Geschäftsbereiche schließen?

„Es wird in diesem Winter vermutlich weniger um die Frage gehen: Bekomme ich genug Gas? Sondern: Wie viel Strom und Gas kann ich mir überhaupt leisten“, erklärte Ron Keßeler, Geschäftsführer der Stadtwerke Coesfeld. Der reine Einkaufspreis für Strom habe sich von Januar 2021 bis August 2022 verzwölffacht. Beim Gas war es im gleichen Zeitraum der Faktor 17. Allein von Juli auf August dieses Jahres verdoppelte sich der Preis. „Solch explodierende Kosten sorgen einerseits dafür, dass sich die Unternehmen massiv Gedanken um Einsparungen machen und diese so schnell wie möglich umzusetzen versuchen. Andererseits sind sie aber auch der Grund dafür, dass Unternehmen ihre Produktion reduzieren oder ihr Geschäft sogar ganz aufgeben“, erklärte Keßeler. „So besteht die Chance, dass sich der Gasverbrauch bis zum Winter so weit nach unten reguliert, dass die vorhandene Gasmenge für alle reicht – allerdings zum Preis von Unternehmensschließungen oder Produktionsreduzierungen aufgrund der hohen Energiekosten.“

Zahlen aus dem aktuellen DIHK-Energiebarometer, die Eckhard Göske von der IHK Nord Westfalen vorstellte, belegen das: Rund ein Drittel der energieintensiven Unternehmen in Deutschland haben aufgrund der Energiekosten ihre Produktion heruntergefahren oder Geschäftsbereiche geschlossen, sind gerade dabei, dies zu tun, oder planen es zeitnah. Ohne eine Senkung des Gasverbrauchs und einem kontinuierlichen Gasfluss durch die Nordstream 1 in Höhe von 20 Prozent des eigentlichen Niveaus werden ab November 2022 rund ein Viertel des normalen Jahresbedarfs an Gas in Deutschland fehlen. „Die Anstrengungen sind also unbedingt notwendig – und natürlich auch ein Plan, was im Fall des Falles passieren soll“, erklärte Ron Keßeler.

Abschaltpotentiale, Reaktionszeiten und wirtschaftliche Folgen für Unternehmen sind erfasst

Wenn tatsächlich eine Zuteilung von Gas notwendig sein sollte, betrifft dies nach aktueller Rechtslage nur Unternehmen mit einem Verbrauch von mehr als 1,5 Millionen Kilowattstunden oder einer Leistungsaufnahme von mehr als 500 Kilowatt. Für diese Unternehmen müssen, wenn das Gas knapp wird, die Bundesnetzagentur oder der regionale Energieversorger innerhalb des bestehendes Rechtsrahmens festlegen, wer viel Gas erhält. Das gilt für rund 110 Unternehmen im Kreis. „Andersherum gesprochen bedeutet dies: Knapp 9400 Unternehmen im Kreis Coesfeld müssen nach derzeitigem Stand keinerlei Reduzierung ihrer Gasversorgung befürchten“, erklärte Keßeler.

Die 110 betroffenen Unternehmen seien bereits informiert worden und hätten die Gesprächsangebote ihrer Gasversorger angenommen. „Wir kennen die Abschalt- und Verlagerungspotentiale der Unternehmen. Wir kennen ihre Reaktionszeiten und die wirtschaftlichen Folgen einer Reduzierung oder Abschaltung – und können, wenn der Ernstfall eintreten sollte, auf dieser Basis entsprechende Vorgaben machen“, so Keßeler. Das Wichtigste bleibe aber: „Wir müssen die Energiewende mit einer ganz anderen Geschwindigkeit angehen, die Verbräuche dauerhaft reduzieren und ebenso dauerhaft Abhängigkeiten bei der Lieferung von Energieträgern vermeiden.“

Ihr Ansprechpartner
Dr. Jürgen Grüner