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Kreative Ideen erfolgreich umgesetzt: Zwei Gründerinnen in Havixbeck denken Einzelhandel neu

Hinter der Ladentheke von Rabea Schürmann surrt die Nähmaschine. Bei Manon Nandika Weßels ist es das leise Klicken von Maus und Tastatur, das den Raum ihres
Conceptstores „das schöne leben“ in Havixbeck erfüllt, sofern gerade mal kein Kunde da ist. Wenn sie aufschaut, kann sie fast die Eingangstür von BabyFine sehen, Rabea Schürmanns Laden für handgenähte Babykleidung. Die beiden Gründerinnen stehen mit ihren Konzepten für eine neue Art des Einzelhandels, die die Innenstädte neu beleben kann: Ihr Geschäft ist gleichzeitig Produktionsstätte. Schürmann näht ihre Kleidung und ihre Accessoires direkt im Laden. Weßels hat ihren Arbeitsplatz als freie Grafikdesignerin ebenfalls vis-á-vis zum Eingang des Conceptstores für Feinkostprodukte, hochwertige Spirituosen, skandinavische Interior-Artikel sowie Grafik und Typografie. Hier arbeitet sie für externe Auftraggeber wie Geschäftsleute und Institutionen aus dem Ort oder gestaltet eigene Postkarten und Prints, die man im Laden kaufen kann.

Onlinehandel und Social Media gehören zum Vertriebs- und Marketingkonzept 

Und noch etwas ist anders bei den Frauen: Onlinehandel und Social Media sind keine Konkurrenz des stationären Angebots, sondern fester Teil ihres Marketingkonzepts. Mal geplant, mal ungeplant – wie Manon Weßels mit einem Lachen erzählt. Denn wenn zufriedene Kunden den liebevoll aus dem Ladensortiment zusammengestellten Adventskalender in einem Blog mit hoher Reichweite posten oder ein Pin von Kaffeetütchen mit lustigen Sprüchen als Geschenk für Hochzeitsgäste bei Pinterest schnell auf Interesse trifft, kann die Nachfrage das Angebot und Zeitbudget schon mal deutlich sprengen. „Es wirklich unglaublich, wie sehr sich alles gegenseitig befruchtet“, sagt Manon Weßels. „Das hätte ich vor der Gründung vor drei Jahren nicht für möglich gehalten.“

Direkt hinter der Ladentheke steht die Nähmaschine von Rabea Schürmann. Wenn keine Kunden im Laden sind, nutzt sie die Zeit, um neue Produkte zu nähen. Foto: BabyFine

Neben ihrer Festanstellung als Grafikerin betrieb Weßels einen Food- und Designblog, wo sie verschiedene Firmen und Produkte vorstellte. „Ich fand es schade, dass es die meisten Dinge hier nirgendwo zu kaufen gab und man über das Internet für alles eine Einzelbestellung aufgeben musste. So entstand die Idee zum Laden. Auch, weil mein Mann Marlon und ich uns immer etwas eigenes gewünscht hatten“, erzählt sie. Die Verbindung von Grafikbüro und Laden sei für sie ein Muss gewesen. „Ich wollte den grafischen Bereich nicht ganz aufgeben, dafür macht er mir zu viel Spaß. Und im Laden gibt es ja immer mal den ein oder anderen Moment, wo kein Kunde da ist. Über den persönlichen Kontakt im Laden und die besondere Stimmung dort, ist dann aber nicht nur unser Onlineshop sehr gewachsen. Die Zahl der Grafikaufträge stieg ebenso deutlich, so dass mein Mann mittlerweile seinen Job gekündigt hat und auch voll im Laden eingestiegen ist“, erklärt Weßels.

Nähecke im Laden zeigt, dass alles wirklich selbstgemacht ist

Rabea Schürmann hatte für ihre Babykleidung bereits ebenfalls erfolgreich einen Kundenstamm über Online-Handel und Märkte aufgebaut, als sie ihren Wunsch nach einem eigenen Laden in die Tat umsetzte. Dass die Nähstube ein Teil davon ist, war eher dem Havixbecker Wohnungsmarkt geschuldet. „Da mein Lebenspartner ebenfalls selbstständig ist, hätten wir entweder eine Vier-Zimmer-Wohnung für zwei Büros oder eine Drei-Zimmer-Wohnung mit einem großen gemeinsamen Büro benötigt. Doch beides war nicht zu finden“, erinnert sich Schürmann. „So kam ich auf die Idee mit der Nähecke im Laden, die den Kunden auch direkt zeigt, dass hier wirklich alles handgemacht ist.“ Neu genähte Stücke postet Rabea Schürmann auch auf Facebook und Instagram. „Oft lassen es sich die Kunden dann direkt zurücklegen, so dass ich für den Verkauf im Laden schon wieder neu nähen muss.“

Für den Schritt zum eigenen Laden war ihr auch die Gründungsberatung eine große Hilfe. „Besonders beim Versicherungsschutz verliert man schnell den Überblick: Betriebshaftpflicht, Inventarversicherung, eigene Krankenversicherung – das sind nur einige Aspekte. Wie soll meine Altersvorsorge aussehen? Möchte ich mich weiter gegen das Risiko der Arbeitslosigkeit versichern? Auch diese Fragen sollten sich Gründer beantworten. Wir unterstützen sie dabei“, erklärt Andrea Meyer, Gründungsberaterin bei der wfc Wirtschaftsförderung Kreis Coesfeld.

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DIE GRÜNDUNGSBERATUNG

Für Gründer bietet die wfc Wirtschaftsförderung Kreis Coesfeld als zertifiziertes STARTERCENTER.NRW eine umfangreiche Beratung an – von der Vermittlung von Basiswissen über individuelle Einzelberatung und Gruppenberatung im Gründerzirkel und der Gründerschmiede bis hin zu finanziellen Unterstützungsmöglichkeiten.

 

Auf dem richtigen Weg

Jahrestreffen des Unternehmerinnen-Netzwerks zeigt Potentiale des Einzelhandels in Havixbeck

Ihre Geschäfte heißen „Fräulein Wunder“, „das schöne Leben“ oder „Baby Fine“. Das Angebot haben die Inhaberinnen liebevoll ausgesucht oder selbst hergestellt. Mit ihren Ideen dahinter sind sie dem klassischen stationären Einzelhandel längst entwachsen. Und so bietet der Rundgang durch die Havixbecker Innenstadt, zu dem die wfc Wirtschaftsförderung Kreis Coesfeld für das Jahrestreffen des Unternehmerinnen-Netzwerks des Kreises eingeladen hatte, gleich doppelten Gesprächsstoff.

Kreative, aber tragfähige Konzepte

„Es sind tolle Beispiele für mutige Frauen, die mit kreativen, aber tragfähigen Konzepten den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt haben oder ein Unternehmen weiterführen“, sagte wfc-Beraterin Andrea Meyer am Donnerstagnachmittag. Denn auch die weiperfriseure, die in mittlerweile vierter Generation von Janina Weiper geleitet werden, gehörten zum kommunikativen Rundgang. „Der direkte Austausch von Unternehmerin zu Unternehmerin hat enormes Potential – und das möchten wir mit den regelmäßigen Treffen unterstützen“, so Andrea Meyer. Neue Teilnehmerinnen sind dabei stets willkommen – und wie am Donnerstag schnell integriert als die engagierten Havixbecker Unternehmerinnen von ihren Anfängen, Ideen und ihrem Geschäftsalltag berichteten.

Das Geschäft für Babykleidung und -accessoires von Rabea Schürmann ist gleichzeitig ihr Atelier. Wenn kein Kunde da ist, arbeitet sie die Bestellungen ab und näht neue Kleidungsstücke. Manon Nandika Weßels und ihr Mann Marlon betreiben in ihrem conceptstore „das schöne Leben“ gleichzeitig eine Agentur für Grafik- und Webdesign und verkaufen eigene Entwürfe auch im Laden. Genau wie die persönliche Beratung und das stimmige Modeangebot bei „Fräulein Wunder“ sowie die handwerkliche Qualität und das bewusst ruhige Ambiente bei den weiperfriseuren hat sich die Besonderheit dieser Läden herumgesprochen und die Kunden kommen vielfach von außerhalb nach Havixbeck.

 

Facebook und Instagram als zentrale Marketingwege

Aber das ist längst noch nicht alles, was über den klassischen Einzelhandel hinaus geht. In diesen Geschäften ist neue Ware zum Teil schon verkauft, bevor sie im Regal liegt. Mit den Fotos davon auf Facebook und Instagram kommen die Käufer, die sich teilweise per Mail oder Anruf die besten Stücke direkt reservieren lassen. Oder ein zufriedener Kunde postet sein Glück auf Pinterest – und die Menge der Anfragen nach kleinen Kaffeetütchen mit witzigen Sprüchen als Gastgeschenk für die Hochzeitgäste ist für Manon Nandika und Marlon Weßels kaum noch abzuarbeiten.

Social-Media-Marketing, Online-Shops und grundsätzlich die Chancen der Digitalisierung, aber auch der persönlichen Beratung und des persönliches Erlebnisses waren die Themen, bei denen sich nahezu alle der rund 30 Teilnehmerinnen in ihren Gesprächen beim Jahrestreffen des Unternehmerinnen-Netzwerks wiederfanden – unterstützt von einem Kurzvortrag von Martina Mähren (Moleco GmbH) zur erfolgreichen Nutzung von Instagram im Anschluss des Rundgangs.