Fokus Fachkräfte: Qualifizierung rückt neue Zielgruppen in den Blick

CaPlast bietet fachfremden Beschäftigten zweiten Berufsabschluss/ Parador bildet Leiharbeiter aus

Wenn Fachkräfte fehlen und konkrete Stellenausschreibungen die Lücken genauso wenig schließen können wie die klassische betriebseigene Ausbildung, dann lohnt sich ein Blick auf fachfremde Berufe oder die Liste der eigenen Angestellten. Denn mit Hilfe von Qualifizierungen werden ehemalige Kioskbesitzer zu Verfahrensmechanikern und Leiharbeiter mit abgebrochener Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik mit Ausbildungsabschluss. Zwei Unternehmen, die diesen Weg erfolgreich gehen, sind die CaPlast Kunststoffverarbeitungs GmbH in Capelle und die Parador GmbH in Coesfeld. 

Betriebliche Einzelumschulung: Mehr Gehalt und kürzere Ausbildungszeit

„Wir haben viele saisonal beschäftigte Leiharbeiter, die einen guten Job machen. Ihnen geben wir mit dem Angebot der Betrieblichen Einzelumschulung die Möglichkeit, als festangestellte Fachkräfte bei uns zu arbeiten und aus dem Niedriglohniveau herauszukommen“, erklärt Marko Bricke, Leiter Operative Logistik bei Parador. Bei der Betrieblichen Einzelumschulung machen die ehemaligen Leiharbeiter eine reguläre Ausbildung, starten allerdings direkt im zweiten Lehrjahr. Durch die Unterstützung der Agentur für Arbeit erhalten sie während dieser Zeit zudem ihr bisheriges Gehalt weiter. „Häufig haben Leiharbeiter eine vorherige Ausbildung abgebrochen oder schlechte Erfahrungen mit Schule gemacht. Die verkürzte Ausbildungszeit und das höhere Gehalt sind eine Motivation, eine Ausbildung aufzunehmen und nicht weiter als Leiharbeiter zu arbeiten. Wenn nötig, erhalten sie sowohl im Betrieb als auch in der Schule Unterstützung von uns“, so Bricke. So lasse sich ein Teil der Fachkräftelücke schließen.

Bei CaPlast haben alle Beschäftigten eine abgeschlossene Ausbildung – zum Teil allerdings als Bäcker, Fleischer oder Einzelhandelskaufleute. Denn im eigentlich benötigten Beruf, dem Verfahrensmechaniker für Kunststoff und Kautschuk, gibt es nur wenige auf dem Markt. „Azubis zu finden, ist ebenfalls sehr schwierig, da sie in der Regel für ihre schulische Ausbildung ein Jahr lang nach Wittlich in die Eifel gehen müssen. Auch wenn wir ihnen dort natürlich eine Wohnung stellen, trauen sich das viele 16-Jährige einfach nicht zu“, erklärt Personalreferentin Sarah Kranke. CaPlast setzt deshalb auf fachfremde Beschäftigte aus allen Bereichen. „Wir schreiben in der Produktion nur drei Position aus: Verfahrensmechaniker, Verfahrensmechaniker-Assistent und Produktionshelfer. Die Stellen sind für alle offen und bieten die Möglichkeit, sich hochzuarbeiten.“

Teilqualifizierung vermittelt Theorie und Know-How hinter der Maschinenführung

Konkret bedeutet dies: „Wir bilden die Beschäftigten so weit aus, dass sie die Maschinen für die Kunststoffverarbeitung selbstständig führen können. Das dauert in der Regel fünf Jahre“, erklärt Industriemeisterin Susanne Weyand. „Wir merkten aber immer wieder, dass auch dann noch die Theorie und Know-How hinter der Tätigkeit fehlen.“ Das Unternehmen bot deshalb allen Beschäftigten, denen die entsprechenden Abschlüsse fehlten, eine Teilqualifizierung zum Kunststoffassistenten und – wenn gewünscht – weitergehend zum Verfahrensmechaniker für Kunststoff und Kautschuk an. Die Kosten übernahm CaPlast. Die Unterrichtsstunden fanden vor Ort in Capelle statt – allerdings in der Freizeit, wie es auch beim Techniker oder Meister üblich ist.

12 Beschäftigte nutzten das Angebot. 96 Unterrichtsstunden plus schriftlicher und mündlicher Abschlussprüfung vor der IHK Nord Westfalen umfasste die Qualifizierung zum Kunststoffassistenten. 10 der 12 Beschäftigten absolvierten innerhalb der nächsten eineinhalb Jahren auch noch erfolgreich die weiteren drei Bausteine mit jeweils 80 Unterrichtsstunden für ihren Abschluss als Verfahrensmechaniker.

Weiterentwicklung gelingt nur mit dem notwendigen Wissen

„Jetzt haben sie alle Grundlagen und wissen besser was sie tun können, wenn es an den Maschinen Fehler oder Probleme gibt“, erklärt Weyand. Doch nicht nur deshalb sei die Qualifizierung so wichtig. „Wir wollen unsere Maschinen technisch weiterentwickeln. Das geht nur, wenn die Menschen, die daran arbeiten, das notwendige Wissen haben. Außerdem wird das, was Maschine und Mensch können muss, immer anspruchsvoller.“

Für die Beschäftigten hat die Qualifizierung neben einem höheren Aufgaben-Niveau auch ein Plus auf der Gehaltsabrechnung zur Folge, da sie aufgrund des entsprechenden Gesellenbriefs nun höher eingestuft werden können.

Foto: Nach der Teilqualifizierung zum Verfahrensmechaniker für Kunststoff und Kautschuk kennen die Beschäftigten bei CaPlast nun auch die Grundlagen und wissen besser was sie tun können, wenn es an den Maschinen Fehler oder Probleme gibt. Foto wfc/Sabrina Becker


Weitere Informationen:

Um Ungelernte, Angelernte oder fachfremde Beschäftige zu Fachkräften auszubilden, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Informationen, Beratungen und teilweise auch finanzielle Unterstützung bietet in der Regel die Agentur für Arbeit. Neben der Teilqualifizierung und der Betrieblichen Einzelumschulung gibt es für gering Qualifizierte, die schon länger im Betrieb arbeiten, die Möglichkeit mit der Externenprüfung einen Ausbildungsabschluss zu erwerben. Durch das Qualifizierungschancengesetz (QCG) erhalten Unternehmen außerdem finanzielle Unterstützung für so genannte Anpassungsqualifizierungen, um die Kenntnisse der Beschäftigten aktuell zu halten oder zu erweitern. Weitere Optionen sind die Ausbildung in Teilzeit und die berufliche Einstiegsqualifizierung, die mit einem sozialversicherungspflichtigen betrieblichen Langzeitpraktikum startet. Einen Überblick über die Angebote gibt es unter https://www.personalarbeit-einfachmachen.de/fördermöglichkeiten/aus-und-weiterbildung/

Ihre Ansprechpartner
Sabrina Becker