Kategorie: Allgemein

Digitalisierung im Handwerk für Einsteiger

Im Fensterbaubetrieb Vogt hat der Wandel in kleinen Schritten begonnen und schnell Vorteile gebracht

Es ist der klassische Fall: Ein Handwerksbetrieb, in dem in den vergangenen Jahren wenig digitalisiert worden ist, möchte sich nun auf den Weg machen und die Prozesse optimieren. Doch wo fängt man an? „Mit einer Bestandsaufnahme“, sagt André Vogt.

Vor mehr als einem Jahr hat er damit begonnen, sich als Nachfolger seines Vaters Christoph im Familien-Fensterbaubetrieb in Rosendahl-Holtwick einzuarbeiten. Die Digitalisierung ist dabei ein wichtiger Aspekt. „Durch meinen bisherigen Job bei einem großen Automobilzulieferer kenne ich die Möglichkeiten und die Vorteile. Deshalb schaue ich jetzt, was für uns passend ist“, erklärt André Vogt.

Möglichkeiten der vorhandenen Software ausgelotet

Die Bestandsaufnahme brachte viele Ideen. Gemeinsam mit den Anbietern und Dienstleistern für die bereits im Unternehmen vorhandene Software hat André Vogt ausgelotet, welche Möglichkeiten es gibt und wovon die rund 60 Beschäftigten bei Fensterbau Vogt profitieren würden. „Wir haben die Ansätze dann priorisiert und die fünf wichtigsten Punkte in einem Förderantrag für das Programm Digital Jetzt zusammengefasst“, erklärt Vogt.

Mit Unterstützung der wfc Wirtschaftsförderung Kreis Coesfeld stellte er den Antrag beim Bundeswirtschaftsministerium – und erhielt den Zuschlag für eine Förderung von 55 Prozent der Gesamtinvestition von 100.000 Euro. „Das war für uns ein sehr guter Startschuss, denn so viele Vorteile die Digitalisierung auch bringt: Sie kostet zunächst einmal Geld.“

Automatisierte Angebotserstellung, Schnittstellen zu den Lieferanten

Zuerst widmete sich André Vogt dem zentralen Softwareprogramm für Angebote, Aufträge, Abrechnung und Übergabe der Daten an die Fertigung. „Es steht im Mittelpunkt vieler Arbeiten, ist aber in den vergangenen Jahren kaum gepflegt worden. Deshalb haben wir es mit Unterstützung unseres Dienstleisters komplett neu aufgesetzt“, erklärt er. Die Angebotserstellung ist nun automatisiert – auch im Hinblick auf Plausibilitätsprüfungen und Preisberechnungen – und geht damit deutlich schneller. Es gibt es eine automatisierte Schnittstelle zur Finanzbuchhaltung und zu den Lieferanten, um Bestellungen aufzugeben. „Bestellformulare auf Papier sind damit Geschichte“, sagt Vogt. Die Berechnung von technischen Werten wie Statik und Wärmedämmung läuft nun ebenfalls automatisch.

Mit Blick auf die Corona-Pandemie, vermehrtem Homeoffice und der Einführung flexibler Arbeitsplätze war die Einführung der IP-Telefonie ebenfalls ein wichtiger Schritt. „Um das alles stemmen zu können, haben wir mit Hilfe der Förderung unsere Serverkapazitäten ausgebaut und eine externe Firewall zur Erhöhung der IT-Sicherheit installieren lassen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhielten zudem eine Schulung zum Thema IT-Sicherheit“, erklärt Vogt. Offen ist nur noch die Einführung einer digitalen Zeiterfassung in der Fertigung und Montage. Sie ist für Ende 2021 geplant. Die App wird für die Monteure zudem einen Zugang zu den auftragsbezogenen Daten im Dokumentenmanagementsystem haben.

Offensichtliche Vorteile verdrängen anfängliche Skepsis

Ein Schlussstrich ist das jedoch nicht. „Wer einmal anfängt und sieht, welche großen Vorteile die Digitalisierung bringt und wie sie hilft, Fehler zu vermeiden, der möchte mehr. Das ließ sich auch bei unseren Beschäftigten beobachten. Zunächst waren sie eher skeptisch, wenn sich etwas lang Etabliertes verändern sollte, aber nach ein paar Wochen waren die Vorteile offensichtlich und die Zurückhaltung gegenüber weiteren Veränderungen sank“, erklärt Vogt.

Förderprogramme für Digitalisierungsvorhaben

Verschiedene Förderprogramme des Bundes und Landes NRW unterstützen die Unternehmen finanziell bei Digitalisierungsvorhaben. Unter anderem sind es Digital Jetzt, die MID-Programme und go-digital. Sie bieten – mit verschiedenen Schwerpunkten – Förderung für Beratungskosten, Investitionen in Technologien, Soft- und Hardware und deren Implementierung. Die wfc unterstützt die Unternehmen dabei, das passende Programm zu finden und zu beantragen: https://wfc-kreis-coesfeld.de/innovation-und-technologie/foerdermittel-innovation-und-digitalisierung/

Gründung: Vom Online-Handel zu zwei stationären Geschäften

Lisa Roerkohl hat mit einer bemalten Jute-Tasche unverhofften Erfolg und baut ihre Ideen mit Augenmaß aus

Wenn Lisa Roerkohl von ihrem Weg in die Selbstständigkeit erzählt, wird einem schnell schwindelig. Von der Schnelligkeit, der Eigendynamik und der Selbstverständlichkeit mit der sich alles zu fügen scheint. Ziemlich genau zwei Jahre hat es gedauert von der ersten bemalten Jute-Tasche bis zum erfolgreichen Online-Shop und zwei stationären IndivduaLIStA-Geschäften. Dabei studiert die Seppenradenerin eigentlich Lehramt.

Die Tasche damals war für Lisa Roerkohl selbst. Dann kamen Freundinnen, die die Tasche toll fanden und auch eine haben wollten. Jemand poste ein Foto auf Instagram, dann noch jemand. Die Reichweite wuchs, der Name IndivduaLIStA entstand, es kamen Jute-Taschen-Fans mit immer größerer Follower-Zahl hinzu und plötzlich gingen Bestellungen aus aller Welt ein.

Kleingewerbe-Anmeldung bringt Sicherheit beim Finanzamt

Das war im Frühjahr 2020, gut ein halbes Jahr nach der ersten bemalten Tasche. Und aus dem Hobby wurde ein Kleingewerbe. „Um beim Finanzamt auf der sicheren Seite zu sein und später keine hohe Steuernachzahlung zu bekommen, war das für mich einfach ein nötiger Schritt und keine große Sache“, erklärt die Gründerin.

Zeit zum Durchatmen blieb trotzdem nicht. Über Instagram erhielt Lisa Roerkohl die Anfrage, ob sie in ihrem Heimatort Seppenrade einen stationären Shop eröffnen wolle. „Das war schon sehr überraschend. Aber dann habe ich mich informiert, mit Versicherungen gesprochen und die Gründungsberatung der wfc genutzt. Als ich dort bestärkt wurde, habe ich gedacht: Alles klar. Ich mache das. Es gibt nichts zu verlieren.“ Zudem sei zu dieser Zeit in ihrer Wohnung kaum noch Platz für die Taschen und das Versandmaterial gewesen. „Allein wegen des Raums hinter dem Verkaufsbereich hätte sich die Anmietung schon gelohnt.“

„Ich investiere nur das Geld, das ich einnehme“

Die Ladenbesitzerin kam ihr zudem anfangs mit der Miete entgegen. Mittlerweile bezahlt Lisa Roerkohl den normalen Preis. Die wenigen Investitionen, die nötig waren, konnte die Gründerin aus ihren Einnahmen bezahlen. Etwa die Ausstattung für den Laden: Ebay Kleinanzeigen. Unter 500 Euro. „Das ist einer meiner Grundsätze: Ich investiere nur das Geld, das ich einnehme. Ein Kredit kommt für mich nicht in Frage. So bleibe ich schuldenfrei und auf der sicheren Seite, falls der Online-Shop und die Läden einmal nicht mehr laufen sollten“, erklärt Roerkohl. Denn dann wird sie als Lehrerin arbeiten – und nicht nur dann. „Auch, wenn es weiterhin gut funktioniert, möchte ich im nächsten Jahr mein Referendariat machen, später in einer Schule arbeiten und im Idealfall jemanden für den Laden einstellen.“

Seit Ende September 2020 ist der IndivduaLIStA-Shop in Seppenrade geöffnet. Neben den Taschen gibt es dort genau wie im Online-Shop auch Kleidung und Accessoires. Durch den zusätzlichen Raum hinter dem Verkaufsbereich kann Lisa Roerkohl auch Zeiten ohne Kunden effektiv nutzen – für den Online-Handel-Versand, um Taschen zu bemalen oder Vorlesungen zu hören. „Da waren die Online-Semester in der Corona-Krise ein echter Vorteil für mich. Sonst hätte ich das Geschäft und das Studium nicht so gut vereinbaren können“, sagt Lisa Roerkohl.

Schwester führt zweites Geschäft in Ennigerloh

Und nun sind es seit dem 3. Juli 2021 sogar zwei Geschäfte. Die Spontanidee stammt dieses Mal allerdings von ihrer Schwester Nina Nienkemper, ebenfalls Lehrerin. Nachdem ihr Vertrag für eine Elternzeit-Vertretung an einer Schule ausgelaufen war, sagte sie: Wie wäre es, wenn du noch einen Laden eröffnen würdest, in dem ich dann arbeite? Gesagt. Getan. Gemeinsam suchten die Schwestern ein Ladenlokal in Ennigerloh, dem Wohnort von Nina Nienkemper. Nach einem Gespräch mit der Wirtschaftsförderung vor Ort profitieren sie zudem vom 80-prozentigen Mietzuschuss über das Sofortprogramm zur Stärkung der Innenstädte und Zentren in NRW.

Der vorerst letzte Schritt ist die Eröffnung allerdings nicht. Denn Lisa Roerkohl hat noch ein Projekt: IndivduaLIStA equestrian für Reiterinnen und Reiter. „Die Marke habe ich Herbst 2020 gestartet. Dann aber kaum Zeit gehabt, mich darum zu kümmern. Das möchte ich jetzt ändern.“

Gründungsberatung und Sofortprogramm für Innenstädte

Für Gründungsinteressierte bietet die wfc Wirtschaftsförderung Kreis Coesfeld als zertifiziertes STARTERCENTER.NRW eine umfangreiche Beratung an – von der Vermittlung von Basiswissen über individuelle Einzelberatung und Gruppenberatung im Gründerzirkel bis hin zu finanziellen Unterstützungsmöglichkeiten. Eine Förderung für Gründende im Handel ist über das Sofortprogramm auch in einigen Kommunen im Kreis Coesfeld möglich. Auskunft dazu geben die jeweiligen kommunalen Wirtschaftsförderungen vor Ort.

Weitere Infos zur Gründungsberatung der wfc gibt es hier

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Mit Geduld und guter Planung zur Unternehmensnachfolge

Lukas Schlütermann hat sich für eine Betriebsübernahme entschieden, um sein eigener Chef sein zu können

Einen eigenen Handwerksbetrieb zu führen: Diesen Wunsch hatte Lukas Schlütermann schon während seiner Ausbildung als Zimmermann. „Ich habe meinen Weg entsprechend geplant und frühzeitig meinen Meister als Voraussetzung dafür gemacht“, erzählt der Nordkirchener. Anfang des Jahres war es dann so weit: Lukas Schlütermann übernahm den Holzbaubetrieb Pieper in Datteln. Mit seinen 32 Jahren ist er nun Chef von 16 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – und hat sein Ziel erreicht.

Was dafür nötig war? „Vor allem Geduld und Zeit“, sagt Schlütermann und lacht. Zwei bis vier Jahre, mit so einer Zeitspanne sollte man schon rechnen, wenn man ein passendes Unternehmen zur Übernahme suche und örtlich nicht flexibel sei oder ein großer Zufall nachhelfe. Denn: In der Regel gehen Unternehmen, die einen Nachfolger suchen, nicht offen damit um – aus Angst, Kunden oder Beschäftige zu verlieren.

Glückstreffer in der nexxt-change Nachfolgebörse

Die nexxt-change Nachfolgebörse des Bundeswirtschaftsministeriums bietet deshalb die Möglichkeit anonymer Angebote und Gesuche. Hier wurde auch Lukas Schlütermann fündig. Die Handwerkskammer stellte dann den Kontakt zwischen ihm und Berthold Pieper her. „Es passte auf Anhieb: Struktur, Größe, Ausstattung, Gebäude – das war genau das, was ich mir vorgestellt hatte. Ein gesunder Betrieb mit dem ich mich identifizieren konnte und einer Arbeitsweise, die zu mir passte“, sagt Schlütermann.

Die Gespräche mit seinem Vorgänger Berthold Pieper wurden intensiver, ebenso wie die Gespräche mit der Bank und dem Berater, der Schlütermann bei der Übernahme unterstützte. „Der Vorteil einer Übernahme ist, dass Kunden und – im Handwerk besonders wichtig – die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schon da sind. Aber es ist eben auch ein deutlich höherer Kapitalbedarf nötig als bei einer Neugründung, bei der man erst einmal kleiner anfängt. Da muss jeder für sich entscheiden, was passender ist. Für mich war immer beides eine Option“, sagt der Nordkirchener.

Berater gibt nötige Unterstützung

Doch nicht nur die Suche, auch der Prozess der Übernahme erfordert eine Menge Zeit. „Rückblickend wäre es sinnvoll gewesen, schon in die allerersten Gespräche mit einem Berater zu gehen. Diese Unterstützung war für mich unglaublich wichtig. Aber hier gilt aus meiner Sicht das gleiche, wie beim Unternehmen, das man übernehmen möchte: Es muss passen. Man sollte mit dem Berater auf einer Wellenlänge sein. Er sollte sich in der Branche und bei den Fördermöglichkeiten gut auskennen, aber auch wirklich nur beratend tätig sein und nicht zu viel übernehmen, sonst kennt man sich selbst bei seinen Zahlen nicht aus“, erklärt Lukas Schlütermann.

In der Meisterausbildung des Handwerks lerne man natürlich das nötige kaufmännische Wissen, aber in der Praxis sei das ein Unterscheid – und zwar nicht nur bei einer Betriebsübernahme inmitten der Corona- und Holzkrise. „Durch die vielen Banktermine, die Kalkulationen und die Aufstellung des Businessplans hatte man einen guten Einstieg. Dennoch dauerte es seine Zeit bis ich mir auch im kaufmännischen Bereich eine Routine erarbeitet hatte“, so Schlütermann.

Übergangszeit mit bisherigem Inhaber

Unterstützung gab es zudem von Berthold Pieper, der seinen Nachfolger im ersten halben Jahr noch beratend zur Seite stand und auch künftig ansprechbar ist. Tochter Corinna Pieper managt zudem weiterhin das Büro. So bleibt für die Kunden und die Beschäftigten auch nach der Unternehmensübergabe vieles so, wie es war. „Und genau das, war mir wichtig“, erklärt Schlütermann. „Natürlich setze ich neue und andere Akzente, aber das große Ganze, das passt so, wie es ist. Dafür hat sich meine Geduld ausgezahlt.“

Beratung zur Unternehmensnachfolge

Allein zwischen 2018 und 2022 beschäftigten sich im Kreis Coesfeld nach Berechnungen des Instituts für Mittelstandsforschung mehr als 400 Betriebe mit der Unternehmensnachfolge – Tendenz steigend. Die wfc unterstützt – auch mit dem Projekt Gründergeist #Youngstarts Münsterland – potentielle Übergebende und Übernehmende dabei, zusammen zu finden, beantwortet Fragen und zeigt, welche Beratungsmöglichkeiten es gibt: https://wfc-kreis-coesfeld.de/existenzgruendung/beratung/unternehmensnachfolge-und-uebernahme/

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Selbstständig mit Baby – dank Familienunterstützung

Carolin Kirschbaum hat in Lüdinghausen einen Unverpackt-Laden eröffnet und viel Hilfe bei der Kinderbetreuung

Den Wunsch, irgendwann einmal selbst Chefin zu sein, hatte Carolin Kirschbaum schon lange. „Ich mag es, Führung und Verantwortung zu übernehmen“, sagt die Lüdinghausenerin. Einen genauen Plan oder eine Idee gab es aber nicht – bis eine Freundin sie vor vier Jahren mit in einen Unverpackt-Laden in Münster nahm: „Ich war sofort begeistert von dem Feeling dort. Es war ein so entspanntes Einkaufen, das wollte ich auch.“ Aber für den täglichen Bedarf war der Weg nach Münster auf Dauer zu weit – und so entstand die Idee zur Eröffnung des Ich-mags-unverpackt-Ladens.

Gründliche Vorbereitung mit Praktikum und vielen Gesprächen

„Ich habe überlegt, ob das Konzept des Einkaufs ohne überflüssigen Verpackungsmüll auch nach Lüdinghausen passen würde und es hier eine Zielgruppe dafür geben könnte. Denn endlich hatte ich für meinen Wunsch nach Selbstständigkeit das gefunden, das ich von Herzen gerne machen würde“, sagt Carolin Kirschbaum. Sie begann mit den Planungen: Praktikum in einem Kölner Unverpackt-Laden, Gespräche mit den Inhabern eines Unverpackt-Ladens in Münster, Gründungsberatung bei wfc Wirtschaftsförderung Kreis Coesfeld, Prüfung von Fördermöglichkeiten, Businessplan, Banktermine, Ladenlokalsuche. Mit Hilfe der Stadt Lüdinghausen fand Carolin Kirschbaum schließlich passende Räume, die allerdings komplett renoviert und umgestaltet werden mussten.

Der Plan war fertig – und wurde doch kurz darauf wieder umgeschmissen. Denn am gleichen Tag als die Gründerin die Finanzierung durch ihre Bank bekam, hielt sie auch einen positiven Schwangerschaftstest in der Hand. „Mein erster Gedanke war: Das schaffe ich nie. Doch so schnell wieder der Gedanke gekommen war, war er auch wieder weg. Ich wollte beides – natürlich. Und mit der Unterstützung von Familie und Freunden gelingt das auch“, sagt Carolin Kirschbaum heute, 14 Monate später. Tochter Ella ist mittlerweile fünf Monate alt und der Unverpackt-Laden hat seit seiner Eröffnung im Oktober 2020 viele Stammkunden gewonnen.

Neustart mit ein paar Stunden pro Woche im Laden

Seit rund einem Monat arbeitet die Gründerin ein paar Stunden in der Woche wieder selbst im Laden und kümmert sich vor allem um die Büroarbeit. Die Tochter ist dann meist für ein paar Stunden bei einer der beiden Großmütter. Danach, abends oder am Wochenende übernimmt der Vater. „Ohne diese tolle Unterstützung ginge es nicht. Das ist unser großes Glück“, sagt Carolin Kirschbaum. Um den Verkauf, die Bestellungen und alle Arbeiten, die die Inhaberin zeitlich nicht schafft, kümmern sich zwei Teilzeitkräfte.

Alles ist geregelt. Dennoch liegen anstrengende Zeiten hinter der Gründerin. „Wir haben drei Monate lang mit Familie und Freunden nach deren Feierabend das Ladenlokal renoviert. Dazu die Lieferanten- und Sortimentsauswahl sowie der Aufbau des Businessplans im Vorfeld: Da opfert man deutlich mehr Zeit als in einem normalen Job und arbeitet gefühlt Tag und Nacht“, erinnert sich Kirschbaum. „Es hat sich gelohnt und ich würde es immer wieder tun, keine Frage. Aber es hat mich auch darin bestätigt, mit dem Schritt in die Selbstständigkeit gewartet zu haben, bis ich das gefunden hatte, vom dem ich hundertprozentig überzeugt bin. Sonst hätte ich wahrscheinlich schneller aufgegeben, wenn etwas Unvorhergesehenes passiert.“

Wichtige Unterstützung durch Gründerstipendium NRW

Etwas Unvorhergesehenes wie die Tochter, aber auch etwas Unvorhergesehenes wie der zweite, lange Lockdown in der Corona-Krise. „Meine Selbstständigkeit und die Kinderbetreuung lassen sich dank unserer Familie wirklich gut vereinbaren. Zweifel gab es nur aufgrund des Lockdowns. Aber zum Glück hatte ich eine Unterstützung von monatlich 1000 Euro durch das Gründerstipendium NRW, das ich dank meines Pitches vor der Gründerstipendiums-Jury bei der wfc erhalten habe“, erklärt die Gründerin. „Jetzt freue ich mich darauf, neue Kunden zu gewinnen. Denn es ist eine große Herausforderung, die Menschen zum Umdenken zu bekommen. Unverpackt einzukaufen geht nur sehr bedingt spontan. Es braucht deutlich mehr Planung.“

Gründerstipendium und Gründungsberatung

Mit dem Gründerstipendium NRW unterstützt das Land NRW innovative Gründerinnen und Gründer maximal ein Jahr lang mit einem monatlichen Stipendium von 1000 Euro. Jurysitzungen für Stipendiums-Bewerberinnen und Bewerber finden mehrmals im Jahr bei der wfc Wirtschaftsförderung Kreis Coesfeld statt. Die wfc-Berater Nathalie Reichel und Thomas Brühmann bietet zudem allgemeine und individuelle Gründungsberatungen an.

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Wissenskick gibt Impulse für die Teamarbeit

WWU-Studierende unterstützen Sendener Bauunternehmen ETS beim Aufbau von Teamstrukturen

Miteinander zu sprechen, sich untereinander auszutauschen: Das sollte auch im Job eine Selbstverständlichkeit sein – und ist doch manchmal schwieriger als man denkt. „Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fahren in der Regel direkt von Zuhause zur Baustelle oder kommen nur kurz an den Firmensitz, um Material zu holen. Die Teams, in denen sie arbeiten, wechseln zudem häufig. Deshalb ist es für uns sehr schwierig, Teamstrukturen aufzubauen und ein Teamgefühl zu schaffen“, erklärt Katrin Spliethofe, Projektleiterin bei ETS (Erd- und Tiefbauarbeiten Spliethoff).

Uni-Wissen im Praxistest

Das Sendener Unternehmen hat mit Hilfe des Kooperationsprojekts „Wissenskick“ deshalb die Chance genutzt, das zu ändern. Beim „Wissenskick“ bringt die wfc Wirtschaftsförderung Kreis Coesfeld GmbH zusammen mit der WOP – Arbeitspsychologie Studierende des Masterstudiengangs Psychologie (Schwerpunkt Personal- und Wirtschaftspsychologie) der WWU Münster mit Unternehmen aus dem Kreis Coesfeld zusammen. Hierbei können die Studierenden ein Semester lang ihr erworbenes Wissen in der Praxis anwenden und sich mit Themen befassen, die für die Unternehmen wichtig sind, aber im Alltagsgeschäft oft nicht im gewünschten Umfang und der gewünschten Gründlichkeit bearbeitet werden können.

Bei ETS haben sich im aktuellen Sommersemester zwei Studierenden-Teams mit der Teamarbeit im Unternehmen auseinandergesetzt. Ihre erste Herausforderung: Die Beschäftigten zur Mitarbeit am Projekt zu motivieren. „Wir sind gemeinsam mit den Studierenden die Baustellen abgefahren. Durch die persönlichen Gespräche haben sie es geschafft, dass sich unsere Mitarbeiter dem Thema öffnen und sich beteiligen – und das mit einem noch größeren Engagement als wir uns erhofft hatten“, so Spliethofe. Deutlich wurde eine Diskrepanz zwischen Teamstruktur und zwischenmenschlichem Miteinander. Die Teamstrukturen empfinden die meisten Beschäftigten laut eines Fragebogens der Studierenden als suboptimal, das zwischenmenschliche Miteinander hingegen sei super. „Das möchten wir natürlich ändern. Ein Ansatz ist deshalb, eine feste Routine für kurze Treffen am Platz mit allen gemeinsam einzuführen, um mehr Austausch zu ermöglichen und ein Teamgefühl zu stärken“, erklärt Katrin Spliethofe.

Wer nimmt welche Rolle ein? Wer weiß was?

Der zweite Ansatz ist, den Beschäftigen zu zeigen, was welche Kolleginnen und Kollegen gut können, sprich welches spezielle Wissen sie haben. Dafür haben die Studierenden gemeinsam mit den Beschäftigten für alle einen individuellen Steckbrief erstellt. Zudem konnten die Beschäftigten reflektieren, welche von drei Teamrollen sie im Unternehmen am ehesten einnehmen: Umsetzer, Koordinator oder Spezialist. Am Ende jedes Steckbriefs steht die Antwort auf die Frage „Du kannst Dich an mich wenden bei…“ Aus allen Steckbriefen der knapp 20 Beschäftigten ist damit eine Wissens- und Team-Landkarte entstanden, die künftig in jedem Baucontainer hängen wird. „So können die Kollegen sehen, wer von was Ahnung hat, Kontakt aufnehmen und sich gegenseitig unterstützen“, erklärt Katrin Spliethofe. „Durch die Impulse der Studierenden haben wir zudem gemerkt, dass wir zu wenig Spezialisten haben, es aber drei Kollegen gibt, die es gerne werden möchten. Das ist sehr wertvoll für uns – genau wie die anderen Ergebnisse des Wissenkicks.“

Die nächste Wissenskick-Runde

Für Unternehmen aus dem Kreis Coesfeld, die beim Kooperationsprojekt „Wissenskicks“ mit den Psychologiestudierenden der WWU zusammenarbeiten möchten, startet im Wintersemester ab Oktober 2021 eine neue Runde – in leicht modifizierter Form. Schwerpunkt-Thema ist dann das Chance-Management.

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Wissensdatenbank spart Zeit und steigert Qualität

Im Gartengestaltungsbetrieb „Daldrup – Gärtner von Eden“ sind die Einarbeitungszeiten kurz und die Fehlerquoten minimiert

Wer bei „Daldrup – Gärtner von Eden“ einen neuen Job anfängt oder ein Praktikum beginnt, der sollte auf eine ungewöhnlich kurze Einarbeitungszeit vorbereitet sein. Denn der Gartengestaltungsbetrieb aus Havixbeck hat das gesamte Wissen seiner rund 40 Beschäftigten digital archiviert, strukturiert und für alle nutzbar gemacht. „Unser Wissensmanagement ist nichts anderes als die Einsicht, dass das Wissen in unserem Unternehmen viel zu wertvoll ist, um es mit dem Eintritt in den Ruhestand, einem Jobwechsel, Elternzeit, Pflegezeit, einer längeren Krankheit oder auch nur während eines Urlaubs nicht mehr nutzen zu können oder es nur auf Nachfrage weiterzugeben“, erklärt Projekt- und Innovationsmanager Dominic Daldrup.

Unbekannte Arbeitsschritte ohne Erklärungen richtig ausführen

Dass Prozesse und Arbeitsschritte aufgeschrieben und nachvollziehbar gemacht werden, hat in dem 1992 gegründeten Betrieb Tradition. „Wir hatten schon immer ein internes Handbuch – einen Ordner mit vielen Zetteln –  in jedem Büro stehen. Darin das Gesuchte zu finden, war jedoch ebenso aufwändig wie der Austausch, wenn sich ein Prozess geändert hatte“, erklärt Daldrup. Die Konsequenz: Das Handbuch wurde kaum genutzt.

Das Thema blieb aber auf der Agenda – und Dominic Daldrup stieß bei einer Veranstaltung auf das Startup Tooltime aus Münster und seine Software „Know&Share“. Das Tool stellt alle Arbeitsschritte, die die Beschäftigten bei Daldrup machen, schrittweise und übersichtlich dar – auch mit Bildern und Videos, wenn gewünscht. Per Suchfunktion sind sie leicht zu finden. „So kann beispielsweise jemand, der neu ist oder einen Kollegen vertritt und noch nie eine Rechnung gestellt hat, dies ohne weitere Erklärungen tun“, erklärt Daldrup.

Übergaben sind bei Urlaubs- und Krankheitsvertretung nahezu überflüssig

Die Wissensdatenbank lohne sich mehrfach: „Unsere Praktikanten von der Technikerschule können dank des Tools innerhalb eines Tages sehr komplexe Angebote für ganze Gärten inklusive Wasserfläche, Terrasse, Zäune, Pflanzen und mehr erstellen. Das unterstützt uns und motiviert sie gleichzeitig, weil sie direkt wichtige Aufgaben übernehmen können.“ Als eine Mitarbeiterin das Unternehmen wegen eines Umzugs verließ, konnte sich ihr Nachfolger schnell einarbeiten. „Wenn Beschäftigte im Urlaub oder krank sind, ist kaum eine Übergabe notwendig, aber das hohe Qualitätsniveau gewährleistet“, so Daldrup.

Das gilt auch für die Garten- und Landschaftsbauer vor Ort bei den Kunden. Ihre Arbeitsschritte sind ebenfalls in der Datenbank hinterlegt. „Jeder Garten ist anders. Es gibt viele unterschiedliche Arbeiten: Welcher Zement muss benutzt werden. Welche Terrassenplatten brauchen welchen Untergrund. Der schnelle, unkomplizierte Zugriff auf die notwendigen Schritte minimiert Fehler und hilft, unseren hohen Standard zu halten“, erklärt Dominic Daldrup. „Und: Wir sparen in allen Bereichen sehr viel Zeit.“

Überschaubarer Aufwand zur Einrichtung der Wissensdatenbank

Um die Vorteile der Datenbank nutzen zu können, müssen die Beschäftigten allerdings zunächst die Arbeitsschritte für ihren Bereich dokumentieren. „Jeder hat in Stichworten aufgeschrieben, was er täglich macht und sich überlegt, wie man das jemanden erklären könnte, der morgen neu anfängt. Das ist natürlich zunächst eine große Hürde und kostet Zeit. Aber nicht so viel Zeit, wie man denken würde“, erklärt Daldrup. Pro Arbeitsbereich seien es etwa zehn Stunden gewesen, schätzt Daldrup – inklusive des Workshops zur Einführung des Tools. „Wir haben den Berg stückweise abgetragen und gleichzeitig unsere Prozesse auf Optimierungspotential überprüft. Da fällt schnell etwas auf, wenn sich alle ihre Arbeitsschritte vor Augen führen und aufschreiben.“ Für die Kosten des Dienstleisters, der auch das Einpflegen der Daten übernommen hat, erhielt das Unternehmen sogar eine finanzielle Förderung. „Somit hatten wir für die Einführung eigentlich nur die Arbeitszeit unserer eigenen Beschäftigten als Kosten – und den Vorteil, dass wir durch die traditionell etwas geringere Auftragslage im Winter uns die Zeit dafür nehmen konnten“, bilanziert Daldrup.

Das Förderprogramm go-digital

Finanzielle Unterstützung für die Digitalisierung von Geschäftsprozessen wie die Einführung einer Datenbank zum Wissensmanagement, Investitionen in die digitale Markterschließung oder die IT-Sicherheit ist über das Bundesprogramm go-digital möglich. Es richtet sich an Unternehmen mit maximal 100 Beschäftigten. Weitere Infos gibt es hier

WIRTSCHAFT AKTUELL | AUSGABE 2. QUARTAL 2021

Fachwissen zu aktuellen Themen, aber mit Blick auf die Besonderheiten und spezifischen Bedürfnisse der Unternehmen in der Region – das bietet die Zeitschrift „Wirtschaft aktuell“ vier Mal im Jahr. Sie ist Plattform für alle relevanten Informationen und neuen Trends, Beispielgeber, Kooperationsförderer und zeigt die Ansprechpartner vor Ort.

In der zweiten Ausgabe des Jahres geht es in der Titelstory um Industrie 4.0. Außerdem stellt sich der Wirtschaftsstandort Kreis Coesfeld mit seinen zentralen Themen vor.

Aktuelle Nachrichten sind unter anderem:

  • Nordkirchener Start-up und FH Münster entwickeln virtuellen Reiseführer
  • Neue Angebote bei DigiTrans@KMU
  • Wissenskick: Das bringt die Zusammenarbeit mit WWU-Studenten für Unternehmen
  • Gute Ideen für die Personalarbeit von Unternehmen in den Kreisen Coesfeld und Borken
  • Überblick über alle Coworking-Spaces in der Region

Link zur Ausgabe 2/2021

Ihr Ansprechpartner
Sabrina Becker

Raus aus der Krise – mit digitalen Veränderungen und Kreativität

Jahresbilanz 2020: wfc unterstützt Unternehmen erfolgreich bei den Herausforderungen der Corona-Pandemie

Hinter den Unternehmen im Kreis Coesfeld liegt ein Jahr, in dem vieles anders lief als geplant. Ein Jahr, das von Unsicherheiten geprägt war. Aber auch ein Jahr, das deutlicher denn je gezeigt hat, dass Kreativität, Agilität und eine gute Mitarbeiterbindung sich auszahlen. „Viele Unternehmen im Kreis Coesfeld sind stark und widerstandsfähig. Damit hatten sie eine gute Ausgangsbasis, um die Herausforderungen der Corona-Pandemie zu meistern. Zusätzlich hat der vielfältige Branchenmix den Wirtschaftsstandort gestützt. Dadurch sind wir vergleichsweise stabil und gimpflich durch die Krise gekommen“, erklärte Landrat Dr. Christian Schulze Pellengahr am Dienstagvormittag beim Jahrespressegespräch der wfc Wirtschaftsförderung Kreis Coesfeld GmbH. „Aber der Blick zurück zeigt auch: Besonders für Handel, Gastgewerbe, touristische Anbieter und Teilbereiche des Handwerks waren die vergangenen 15 Monate extrem schwierig und belastend. Hier ist Unterstützung weiterhin dringend notwendig.“

Große Unsicherheit, umfangreiches Informationsangebot

Besonders im ersten Lockdown war die Unsicherheit der Unternehmen – auch im Hinblick auf die staatlichen Hilfen – groß. Hier bot die wfc neben einem ständig aktualisierten Infopapier 13 Online-Seminare zu aktuellen Themen und erreichte damit mehr als 2.000 Teilnehmende direkt sowie über 8.000 Zugriffe auf die Aufzeichnungen. Insgesamt stellten die Unternehmen und Selbstständigen im Kreis Coesfeld bislang rund 7.500 Anträge auf die verschiedenen Corona-Hilfen. Das Gesamtvolumen der ausgezahlten Hilfen lag Anfang Mai 2021 bei über 80 Millionen Euro.

 „Im zweiten Lockdown ab November 2020 merkte man, dass der Informationsbedarf zu anderen Themen wie Infektionsschutz im Unternehmen, Kontaktnachverfolgung sowie Testpflichten und -möglichkeiten und später dann Fragen zur Impfpriorisierung in den Vordergrund rückten. Hier war die enge Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsamt und dem Impfzentrum des Kreises essentiell“, erklärte wfc-Geschäftsführer Dr. Jürgen Grüner. Starke Unterstützung für Unternehmen bot auch die Zusammenarbeit mit dem DRK-Kreisverband Coesfeld: Fast 500 Beschäftigte ließen sich in der sachgerechten Anwendung von Corona-Tests in ihrem Unternehmen schulen.

Starker Digitalisierungsschub

Welche Auswirkungen die Corona-Pandemie mittel- und langfristig auf den Wirtschaftsstandort und die Unternehmen im Kreis Coesfeld haben wird, ist aktuell noch schwer abzuschätzen. Doch einige Dinge sind bereits jetzt deutlich. „Es gab einen sehr starken Digitalisierungsschub. Bereits im Vorjahr hatten wir eine deutliche Nachfragesteigerung bei der Unterstützung von Vorhaben in diesem Bereich. 2020 war der Bedarf nochmals größer“, berichtete Grüner. Viele Unternehmen sahen sich gefordert, Produkte, Dienstleistungen, Vertriebskanäle und Arbeitsabläufe in kurzer Zeit zu digitalisieren.

Dass die Umstellung auf digitale Prozesse im Kreis Coesfeld so schnell und nachhaltig stattfinden kann, ist auch dem hohen Ausbaustand bei der digitalen Infrastruktur zu verdanken. Mehr als 80 Prozent der Adressen im Kreis sind mittlerweile an das Glasfasernetz angebunden – der höchste Wert in NRW. Beim Mobilfunk sind 47 Prozent der Antennen bereits 5G-fähig und auch der Ausbau der Netze, die für das „Internet der Dinge“ notwendig sind, schreitet voran. „All das machte ein agiles Handeln der Unternehmen in der Krise erst möglich“, so Grüner. Hinzukommen münsterlandweite Förderprojekte wie DigiTrans@KMU, das Unternehmen bei der digitalen Transformation unterstützt, und Enabling Networks Münsterland für den Bereich der Innovationsförderung.

Kreisweite Digitalisierungsstrategie auf der Zielgeraden

Einen weiteren Meilenstein für den Kreis Coesfeld haben Kreis, Kommunen und wfc 2020 auf die Zielgerade gebracht: die kreisweite Digitalisierungsstrategie. Aus verschiedenen Workshops sind 28 Vorhaben entstanden, um Möglichkeiten der Digitalisierung in Verwaltung, Bildung, Wirtschaft, Mobilität sowie Innenstädten und Dorfmitten ab Ende 2021 konkret umzusetzen.

Im Bereich Fachkräfte stand die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, aber auch die Gesundheitsprävention im Vordergrund. Das große Interesse mündete im Aufbau des Netzwerks GesundArbeiten in Kooperation mit der BARMER, dem Caritasverband für den Kreis Coesfeld e.V. und der WFG für den Kreis Borken. Mit Blick auf die Fachkräftebindung und -qualifizierung stieg erneut die Nachfrage nach Bildungsschecks und -prämien. Und auch hier spielten Digitalisierungsschübe eine wichtige Rolle. Darüber hinaus sammelte die Initiative #einfach machen in 2020 wieder Best-Practice-Beispiele innovativer Personalarbeit und präsentierte sie zu Beginn dieses Jahres.

Konstante Nachfrage nach Standort- und Ansiedlungsberatung

Wie stabil der Wirtschaftsstandort Kreis Coesfeld durch die Krise gekommen ist, zeigt auch das im Vergleich zu den Vorjahren konstante Niveau an Anfragen Gründungsinteressierter sowie der Nachfrage nach Standort- und Ansiedlungsberatung. „Für uns ist das ein klares Indiz, dass auch die Unternehmen trotz der Pandemie positiv in die Zukunft blicken. Wir werden alles daran setzen, sie auch weiter erfolgreich auf diesem Weg begleiten zu können“, so das Fazit von Landrat Dr. Christian Schulze Pellengahr aus diesem ungewöhnlichen Jahr 2020.

Ihr Ansprechpartner
Dr. Jürgen Grüner

Kooperation von Start-up und FH: Bund fördert Entwicklung eines AR-Reiseführers

App von AugmentLabs aus Nordkirchen soll Verschwundenes und Verborgenes sichtbar machen

Historisch spannende Gebäude, die zerstört oder abgerissen worden sind, werden wieder sichtbar. Schlösser, die für die Öffentlichkeit nicht zugänglich sind, sind trotzdem von innen zu sehen. Beliebte touristische Ziele lassen sich neu erleben. Wie? Mit den „Tour-Heroes“, dem digitalen Touristen-Guide, an dem das Nordkirchener Start-up AugmentLabs aktuell arbeitet.

Die Besonderheit: Das Bundeswirtschaftsministerium fördert die Entwicklung der App mit rund 150.000 Euro über das Innovationsprogramm für Geschäftsmodelle und Pionierlösungen (IGP). Mehr als 200 Unternehmen hatten Anträge auf die Fördergelder eingereicht und nur etwa 20 bis 30 eine Zusage bekommen. „Der innovative Charakter des Projekts wird demnach als sehr hoch angesehen, sonst hätte es die Förderung nicht gegeben“, erklärt Prof. Dr. Tobias Rieke vom Bereich Digitalisierung und Projektmanagement des Instituts für Prozessmanagement und Digitale Transformation der FH Münster.

Innovationsgrad und Spaßfaktor müssen hoch sein

Rieke und sein Mitarbeiter Tim Seyock unterstützen die AugmentLabs-Gründer Maximilian Gust und Thomas Gornas bei der Entwicklung der App – und lernen dabei selbst noch hinzu. „In den vergangenen zwei Jahren haben wir uns vor allem auf Augmented-Reality-Anwendungen für Service-Prozesse in Unternehmen konzentriert. Da standen besonders die Funktionalität und die Prozessintegration im Fokus. Jetzt muss die App in erster Linie Freude machen und spannend sein“, erklärt Rieke. „Wenn man mit einer neuen App unter 1,3 Millionen Apps, die allein im App-Store von Apple zu finden sind, herausstechen möchte, ist das genauso wichtig wie der hohe Innovationsgrad“, fügt Seyock hinzu.

Grundidee der App ist es, interessante, nicht mehr vorhandene oder nicht erlebbare Gebäude wieder erlebbar zu machen – und zwar mit Hilfe zweier neuer Technologien. „Durch Augmented-Reality können wir diese Dinge wieder im realen Raum platzieren, sie zeigen, Informationen liefern, Geschichten erzählen, reale Führungen ergänzen und sie mit spielerischen Ansätzen auch für junge Zielgruppen interessant machen“, erklärt Thomas Gornas. „Zusätzlich nutzen wir künstliche Intelligenz, um die Nutzerinnen und Nutzer zu lenken, beispielsweise von den Sehenswürdigkeiten in die Innenstädte, um den lokalen Handel zu stärken. KI dient aber auch dazu, um grundsätzlich auf automatisch importierte Events, Ausstellungen oder Veranstaltungen aufmerksam zu machen – sowohl für Touristen als auch für die Bürgerinnen und Bürgern auf ihren Alltagswegen, wenn die App sagt: Wenn du hier einen kleinen Schlenker fährst, kommst du noch an einer Ausstellung vorbei. Oder: Du hast dich jetzt drei Stunden nicht bewegt, wie wäre es mit dieser Wanderroute an der Werse?“

Eine App für alle Städte

Aktuell arbeiten die Partner an der möglichst realistischen Abbildung der Inhalte. „Dafür haben wir viele technische Herausforderung in einem sehr agilen Prozess zu lösen“, erklärt Maximilian Gust. Denn: Die Tour-Heroes sollen mindestens deutschlandweit ihren Weg finden. „Wir wollen eine App für alle Städte bieten. Das ist unser zentrales Alleinstellungsmerkmal. Niemand möchte sich für jeden Urlaub oder jeden Ausflug eine neue App runterladen“, so Gust. Durch die Touren führen übrigens – je nach Auswahl der Nutzerinnen und Nutzer – ein Mann, eine Frau, ein Mädchen, ein Junge oder+ ein Haustier. „Welches Tier es sein soll, diskutieren wir gerade intensiv“, erzählt Gust.

Spätestens Ende August 2022 soll die App fertig sein und auf den Markt kommen. Dann endet auch die Förderung des Bundeswirtschaftsministeriums – eine weitere Besonderheit. „Normalerweise fördert der Bund nur die Entwicklung von Prototypen. Dass es in diesem Programm eine finanzielle Unterstützung bis zur Marktreife gibt, zeigt wie wichtig auch dem Bund der Erfolg der App ist“, erklärt Christian Holterhues, Innovationsberater der wfc Wirtschaftsförderung Kreis Coesfeld. Die wfc hat das Start-up bei der Antragsstellung unterstützt und im Vorfeld den Kontakt zur FH Münster vermittelt. „Dass AugmentLabs und die FH Münster in der Entwicklung des AR-Reiseführers zusammenarbeiten, war sicherlich auch ein großer Vorteil im Wettbewerb um die Fördermittel. Wir arbeiten daran, dass es künftig noch mehr solche erfolgreichen Kooperationen gibt“, so Holterhues. 

https://www.augmentlabs.de

WIRTSCHAFT AKTUELL | AUSGABE 1. QUARTAL 2021

Fachwissen für Unternehmen zu aktuellen Themen, aber mit Blick auf die Besonderheiten und spezifischen Bedürfnisse der Unternehmen in der Region – das bietet die Zeitschrift „Wirtschaft aktuell“ vier Mal im Jahr. Sie ist Plattform für alle relevanten Informationen und neuen Trends, Beispielgeber, Kooperationsförderer und zeigt die Ansprechpartner vor Ort.

Für den Kreis Coesfeld ist die wfc Wirtschaftsförderung Kreis Coesfeld der Herausgeber der „Wirtschaft aktuell“. Insgesamt umfasst das Verbreitungsgebiet sämtliche Münsterland-Kreise, die Stadt Münster, das Osnabrücker Land sowie die Landkreise Emsland und Graftschaft Bentheim.

Link zur Ausgabe 1/2021

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Sabrina Becker